Wie ein Wirtschaftsprüfer und eine Lehrerin auf die Idee kamen, Landwirte zu werden ...
Eigentlich wollten wir nur Bäume sammeln. Daher ließen wir uns 2008 anstelle eines weiteren Kerzenleuchters Bäume zum 40. Geburtstag schenken. Diese pflanzten wir um unser Feld, so dass der Bio-Landwirt unseres Dorfes auch weiterhin unseren Acker bewirtschaften konnte. Nach der Bekanntschaft mit einem „Waldmacher“ wurden aus unseren 20 Bäumen schnell 170 Bäume! Während wir vorher eher an Solitärbäume gedacht hatten, kamen dieses Mal Äpfel-, Birnen-, Pflaumen-, Zwetschgen- und Kirschbäume dazu. Insgeheim träumten wir schon von „Mazurs Streuobstler“, doch dann, 2013, überraschte uns einer der heißesten Sommer und wir mussten aus dem Urlaub heraus Gießhilfen für unsere Bäume fernab der Heimat organisieren, um diese am Leben zu erhalten.
Um so etwas nicht wieder erleben zu müssen, gaben wir im Internet „Gießen ohne Wasser“ ein. Natürlich kam nichts, stattdessen kam: „Pflügen ohne Pflug!“ Und in diesem Zuge Hinweise auf das für uns neue Wort „Permakultur“ und auf Sepp Holzer, den Agrar-Rebellen aus dem Lungau in Österreich. Nach der Sichtung des ersten Videos über Sepp Holzer und den Krameterhof war unser Interesse geweckt. Sollte so etwas auch bei uns funktionieren? Lange Rede kurzer Sinn, wir machten uns auf den Weg und besuchten den Krameterhof in Österreich.
Wir wurden nicht enttäuscht! Wenn es so etwas wie das Paradies auf Erden geben sollte, dann war es ganz sicherlich dort zu finden. Nach unserem Besuch war klar, solch ein Paradies wollten wir auch schaffen! Pflanzen und Bäume in den unterschiedlichsten Größen und Arten, Salate, Gemüse, das gigantisch schmeckte, Schweine, als Helfer und Hühner, als Eierlieferanten und das in noch besserer Qualität als Bio es jemals sein könnte. Dieser Ein-Tages-Workshop auf dem Krameterhof öffnete uns die Augen für die Schönheit der Natur! Beobachte die Natur! Arbeite nicht gegen sie und nehme dir immer nur soviel, wie du brauchst! Es war wie die Schöpfungsgeschichte, nur mit dem Unterschied, die Natur zu nutzen, sie aber nicht auszubeuten.
Was ist Permakultur?
Eine Permakultur ist eine natürliche Landwirtschaft ohne Spritzen und Düngen, also eine Landwirtschaft im Einklang mit der Natur.
Wenn gedüngt werden muss, dann durch die Tiere oder durch das Mulchmaterial, das überall auf dem Gelände verteilt wird. Mulchmaterial? Mulchmaterial ist getrocknetes Gras, Stroh, Kompost, Wildkräuter, - eigentlich alles, was für den Augenblick keine Verwendung im Garten findet. Der Nutzen des Mulchmaterials besteht darin, ein Austrocknen der Pflanzen zu verhindern. Zudem fördert es ein aktives Bodenleben mit Hilfe unzähliger Kleinstlebewesen, was zum einen zu einer Verbesserung der Bodenqualität und zum anderen durch seine Speicherfähigkeit zu mehr Feuchtigkeit im Boden führt. Gerade in den letzten Jahren hatten wir sehr trockene Sommer. Wir mussten zwar auch gießen, aber lange nicht soviel wie unsere Kollegen aus der herkömmlichen Landwirtschaft.
Zudem ist Permakultur ein in sich geschlossener Kreislauf, der sich ständig selbst erneuert. So können sich z.B. Samenstände bilden und sich selbst wieder aussäen. Daher findet man auf unserer Permakultur unter Bäumen u.a. Feldsalat, Radieschen, Brennnesseln uvm. Manch einer nennt es Unkraut, wir nennen es wachsendes Mulchmaterial.
Ein ‚Marketgarden‘ mit 100 Beeten entsteht
Der Gedanke eine eigene Permakultur aufzubauen ließ uns nicht mehr los. Doch wo sollten wir beginnen? 24.000 qm lagen vor uns, die es zu bewirtschaften galt. Unser Bio-Landwirt fand die Idee toll, allerdings teilte er uns auch gleichzeitig mit, dass unser Acker einer der trockensten Äcker in ganz Isernhagen sei. Um überhaupt etwas zum Wachsen zu bringen, schenkte er uns 250 m Schlauch. Ohne diese zusätzliche Bewässerungsmöglichkeit wäre sicherlich vieles im Sande verlaufen.
Zwei Hügelbeete, über 170 Bäume und ein Pfauenpärchen bewachten bald schon unsere „Wiese“. Die Bäume sahen in den ersten Jahren eher wie Stöcke aus, aber wie schnell sich alles ändert, wissen wir jetzt, wenn wir die Fotos der letzten Jahre miteinander vergleichen.
Auf der Tagung der Stiftung für ökologische Landwirtschaft (SÖL) in Kiel im November 2018 lernten wir schließlich das Who des who‘s der Permakulturszene kennen. Neben J.M. Fortier und Maude Helene Desroches aus Kanada und Richard Perkins aus Schweden lernten wir Felix vom Bodensee kennen. Ein junger Mann von 29 Jahren, der sich seit einigen Jahren sehr intensiv mit dem Thema Permakultur auseinandersetzt. U.a. war er für einige Monate bei Sepp Holzer in Österreich. Am 3.4.2019 fing Felix bei uns als Gärtner der Permakultur Kirchhorst GbR an!
Mit Felix zusammen nahm unser Projekt an Geschwindigkeit auf. Auf unserem alten Reitplatz entstand ein Marketgarden mit rund 100 Beeten. Die Länge eines jeden Beetes beträgt 10 m bei einer Breite von 70 cm. Gesäumt werden alle Beete von Holzschnetzeln, die eine weitere Möglichkeit der Wasserspeicherung bilden. Die aufgebrachte Beeterde besteht aus Komposterde. Der Vorteil dieser gleichgroßen Beete ist enorm. Da ein Vlies exakt auf jedes der Beete passt, können wir bei kaltem Wetter die Beete sehr schnell abdecken, um sie zu schützen. Zudem ist die Rentabilität der unterschiedlichen Beete nach J. M. Fortier, besser vergleichbar geworden. Nun können wir sehen und errechnen, was welches Beet in der gleichen Zeit an Umsatz bringt oder nicht bringt bzw. für uns wirklich lohnenswert ist.
In unserem Marketgarden stehen selten zwei gleiche Gemüsearten nebeneinander. Falls ein Beet von Schädlingen befallen wird, greift es dadurch nicht sofort auf das nächste Beet über. So stehen hier Knoblauch, Asiatischer Kohl, Radieschen, Mairübchen, Spinat, Grünkohl, Rote Bete, Karotten, Kräuter und an die 60 unterschiedliche Salatsorten, die unseren Rockstar-Salat bilden, nebeneinander. Rockstar Salat ist keine eigene Sorte! Es ist ein Salat, der aus mindestens 5-15 unterschiedlichen Blattsorten besteht. Wer erst einmal in den Genuss dieses Salates gekommen ist, wird sich garantiert an die Geschmacksexplosion auf der Zunge erinnern. Unser Salat rockt die Bühne!!!
Mittlerweile ist unser „Rockstar Salat“ der Renner! Sterneköche, wie Tony Hohlfeld (Inhaber des „Jante“ in Hannover; ausgezeichnet mit 2 Sternen vom Guide Michelin, 2020 und 2021) und Oliver Rasper, internationaler Spitzenkoch, Buchautor, ehemaliger Küchenchef des Raffles in Singapur und des „Regents“ in Hongkong, jetzt Küchendirektor der Gästebewirtung der Nord LB in Hannover, sind begeistert von der Frische und vom Geschmack unserer Produkte. Der Großteil unserer Kundschaft sind aber nicht Köche, sondern Liebhaber des leckeren Gemüses und des guten Geschmacks.
An der Straße, direkt vor unserer Permakultur, befindet sich von Mai bis Dezember „The Pinky Fridge“. Dieser pinkfarbene Kühlschrank beinhaltet Marmeladen und Pestos und wird mehrmals täglich mit frischen Salaten und Gemüse, das ausschließlich auf unseren Beeten wächst, bestückt. Außerdem kann man sich samstags beim Garagenverkauf vom Geschmack unserer Produkte selbst überzeugen.
Klimaneutral und lecker = ‚klecker‘
Seit letztem Jahr gibt es zudem die „Klecker-App“, die ein Kunde zunächst für uns entwickelte, weil er von unseren Produkten überzeugt ist. „Klecker“ kommt von klimaneutral und lecker. Auf diese App kommen nur Landwirte, die ihre Produkte klimaneutral produzieren.
Regenerative Landwirtschaft: ein Baustein zur Rettung des Klimas
Im Klartext heißt das: Umgraben war gestern, denn jegliches Umgraben führt zur Freisetzung von CO2 und zerstört die Bodenstrukturen und die Qualität des Bodens. Durch das Nicht-Umgraben wird CO2 im Boden gebunden, es gelangt nicht an die Luft und führt dadurch zu einer Verbesserung unseres Klimas. Schade, dass bisher nur wenige Landwirte auf den Zug der Regenerativen Landwirtschaft aufgesprungen sind. Sie sollten sich die Studien des Bodenwissenschaftlers Rattan Lal ansehen. Er führt den Beweis, dass Regenerative Landwirtschaft „zur Lösung globaler Probleme wie Klimawandel, Ernährungssicherheit und Wasserqualität beitragen kann“.
Das Nicht-Umgraben des Bodens, das sogenannte No-Dig-Verfahren, dass Charles Dowding in England und Richard Perkins in Schweden perfektioniert haben, führt dazu, dass viele Nährstoffe im Boden verbleiben können. Während der Wuchs des Unkrauts durch das herkömmliche Hacken und Umgraben regelrecht aktiviert wird, besonders schnell und intensiv zu wachsen, geschieht bei der No-Dig-Methode eher das Gegenteil. Es wächst viel langsamer! Außerdem bleibt das Myzel von Pilzen im Boden intakt. Diese Pilzgeflechte sind viel feiner als Pflanzenwurzeln und können dadurch in kleinste Hohlräume unter der Erde gelangen. Neben dem Myzel gibt es zudem Pflanzenwurzeln, da die abgeernteten Pflanzenreste nur herausgedreht werden, die Wurzeln aber im Boden bleiben. Diese Pflanzengeflechte führen wiederum zu einer besseren Belüftung und Drainage des Bodens, außerdem werden die Kleinstlebewesen im Boden durch das Nichtbearbeiten des Bodens weniger gestört, da die Bodenstrukturen nicht zerstört werden. Im Endeffekt resultiert daraus ein gesundes Wurzelwachstum der Pflanzen. Weitere Vorteile dieser Methode sind ein gesunder Bodenaufbau, längeres Halten von Feuchtigkeit im Boden, Wärmespeicherung, um eine frühere Ernte zu ermöglichen und vor allem Zeitersparnis durch weniger Arbeit.
Was gibt es sonst noch auf unserer Permakultur zu entdecken? Neben dem Marketgarden gibt es ein Hühnermobil, das alle zwei Tage versetzt wird. So bekommen die Hühner genug Grünzeug, was sich im Geschmack der Eier bemerkbar macht. Zudem kommt es nicht zu einer Überdüngung des Bodens durch Hühnerkot. Eier bekommt man bei uns jedoch nur auf Vorbestellung, anders kommen wir nicht mehr hinterher. Für genügend Fleisch ohne Medikamentenbeigabe sorgen unsere drei Rotbunten Husumer, auch Dänische Protestschweine genannt und unsere Kamerunschafe. Weiter entsteht gerade ein Gewächshaus von 20m Länge und 7,50 m Breite bei einer Höhe von 5 m mit gotischen Holzbögen, das als Anzuchthaus für Jungpflanzen genutzt wird. Manch einer nennt es auch die Gewächskathedrale!
Im Grunde hört sich alles sehr schön und logisch an. Manch einer mag sich sogar vor soviel Enthusiasmus verneigen, wie gesagt, manch einer, aber nicht alle!
Die Gemeinde Isernhagen war jedenfalls von unserer Idee, eine Permakultur bzw. einen landwirtschaftlichen Betrieb mitten im Gewerbegebiet von Kirchhorst/ Isernhagen anzusiedeln, nicht sonderlich angetan. So überlegten sie, nachdem wir zusammen mit dem Bio-Landwirt und einem Landschaftsgärtner einen Bauantrag für eine kleine Scheune eingereicht hatten, unsere Wiese in ein Gewerbegebiet zu verwandeln, nur hatten sie vergessen, uns vorher darüber zu informieren! Wir lehnten ab. Eine Behörde aus Hannover verlangte sogar, dass wir eine Landwirtschaftsausbildung machen und einen Businessplan einreichen. Der Businessplan war für uns kein Problem, für die Behörde aus Hannover aber schon! So etwas hatten sie scheinbar noch nie gesehen. Mit der Bemerkung, er sei falsch, weil keine Dünge- und Spritzmittel aufgeführt wurden, kam er zu uns zurück. Außerdem würde unser Projekt die Landschaft verschandeln! Ein 5-jähriger Streit mit den Behörden entfachte und erst das Verwaltungsgericht Hannover entschied 2019, dass die Permakultur Kirchhorst GbR ein anerkannter Landwirtschaftlicher Betrieb ist.
Wer nun meint, dass jetzt alles „gut“ ist, der hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Die Behörden geben sich leider bis heute nicht damit zufrieden. Nun müssen beim Bau der Scheune Baulasten eingetragen werden, mit der Verpflichtung alles zurück zu bauen, falls die Permakultur Kirchhorst nicht profitabel wird. Warum dieser Riesenaufwand seitens der Behörden? Was haben sie davon? Diese Frage haben wir uns schon oft gestellt. Bis heute haben wir hierfür keine Antwort finden können, aber eines wissen wir: Wir machen weiter!
Wir kämpfen auch weiterhin für die gute Sache und für mehr Lebensqualität für viele. Dass wir auf dem richtigen Weg sind, zeigt uns die Unterstützung und Wertschätzung unserer Kunden oder sagen wir besser Fans. Die Ideen gehen uns jedenfalls nicht aus und der NDR war erst vor kurzem mit einem Filmteam bei uns. Wer weiß, was noch alles passiert?
Eines ist sicher: Wenn wir weiter gesund auf diesem Planeten leben wollen, muss sich auch die herkömmliche Landwirtschaft ändern! Und wir sind davon überzeugt, dass wir in diesem Jahr den Break-Even-Point erreichen - und das völlig ohne Subventionen!
Naturgemacht by PeKK, Permakultur Kirchhorst
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